Das Modell eröffnet eine ungewöhnliche Perspektive. Der Anlass für seinen Bau bestand darin, den Blick in einen Dachstuhl zu simulieren – doch schaut man bei dem Modell nicht nach oben, sondern von oben hinab wie in einen Guckkasten, in den das Dach „kopfüber“ versenkt wurde. Ursprünglich existierte noch ein zweites, ebenfalls gekipptes Modell mit einem alternativen Entwurf für das im Zweiten Weltkrieg zerstörte gotische Gewölbe, das im Zuge des Umbaus der Kirche zum Museum ersetzt werden sollte. Durch den Blick von oben nach unten entsteht eine eigentümliche Verfremdung des Modells. Es erscheint wie ein eigenständiges Kunstwerk. Die filigranen Metallstreben erhalten einen ästhetischen Eigenwert, der nicht zufällig an die große Zeit der Eisen- und Ingenieurskonstruktionen des 19. Jahrhunderts erinnert. Als Inspiration für diesen Entwurf diente der Dachstuhl der Kathedrale von Reims, den Henri Deneux 1926 für den Wiederaufbau konstruierte. Mit den beiden Modellen konnten die städtischen Bauherren davon überzeugt werden, dass die gebogenen Streben der Stahlkonstruktion in der Lage sind, die Dynamik des mittelalterlichen Gewölbes in die Gegenwart zu übersetzen. Statt der steinernen Rekonstruktion entschied man sich für eine Interpretation in einem zeitgemäßen Material. Wann das Modell in den weißen Sockel eingebaut wurde, lässt sich nicht mehr datieren. Der Architekt Josef Paul Kleihues hat den Blick von unten in sein Gebäude für diesen Entwurf auch zeichnerisch umgesetzt: durch eine eher verwirrende als Klarheit stiftende Axonometrie, die das geplante Bauwerk freischwebend ohne Fußboden zeigt. (Franziska Stein) aus: Oliver Elser, Peter Cachola Schmal: Das Architekturmodell – Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie, Ausstellungskatalog DAM, Zürich 2012