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Als Zeugen frühmittelalterlicher Architektur sind durch die von Kaiser Karls des Großen gezielt geförderte Missionstätigkeit vor allem Kirchenbauten erhalten. Infolge des von Bonifatius verbreiteten christlichen Glaubens entstanden zunächst Holzkirchen, die später durch monumentale Steinarchitektur ersetzt wurde. Daneben existieren noch Pfalzanlagen, die der Kaiser als Domizile für den umherziehenden Hofstaat errichten ließ. Der Kontrast zu den bäuerlich geprägten Siedlungen der germanischen Stämme, die sich um die Zentren wie Pfalzen, Dome und Klöster gruppierten, konnte vermutlich nicht größer sein. Soweit sie aus Holz errichtet waren, haben sie die Zeit nicht überdauert. Archäologische Ausgrabungen liefern einige wenige Anhaltspunkte, die sich jedoch häufig auf eine topografische Fixierung beschränken. Umso bedeutender ist es, dass bei Ausgrabungsarbeiten in der Nähe von Warendorf in den Jahren 1951–54 große Teile einer frühmittelalterliche Siedlung aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts bis um 800 n. Chr. entdeckt werden konnten. Von dieser Siedlung, die sich aus mehreren Gehöften zusammensetzte, kamen annähernd 200 Grundrisse vollständig oder in Resten zutage. Für die Archäologen überraschend war die unerwartete Vielzahl unterschiedlicher Hausgrundrisse, die über Längen zwischen 14 und 29 Metern und Breiten zwischen 4,5 und 7 Metern verfügten. Bisherige Vorstellungen, die von primitiven Bauformen des Frühmittelalters bei profanen Gebäuden ausgehen, mussten demzufolge revidiert werden. So konnte man beispielsweise große, fast hallenartige Häuser rekonstruieren, die wie Zelte mit schräg stehenden Pfählen errichtet wurden. Je nachdem, wie breit die Grundrisse waren, musste mit senkrechten Pfosten abgestützt werden, wobei die äußeren Pfosten für die Konstruktion der Wände dienten. Die Dächer hatte man mit Stroh, Heide oder Schindeln gedeckt. In der Mitte der Längsseiten befanden sich zwei vorstehende Ausbauten, von denen der nördliche als Windfang diente, während der südliche wahrscheinlich den Ehrenplatz des Familienoberhauptes beherbergte. Im Osten des Gebäudes befand sich der Herd. Neben den Wohngebäuden existierten ähnlich große Bauten, die als Scheunen oder Ställe dienten. Sogenannte Grubenhäuser, die etwa einen Meter tief in der Erde eingelassen waren, benutze man wahrscheinlich als Spinn- oder Webkammern oder auch zur Vorratshaltung. Kleine offene Schuppen sowie sechs- bis achteckige Hütten mit Speicherrosten für Getreide- oder Heuberge vervollständigten die Anlage. Die Gebäude waren fast ausschließlich in Ost-West-Richtung angeordnet, um den vorherrschenden Westwinden möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Die Holzbauten, aus denen sich dieses frühmittelalterliche Gehöft zusammensetzt, waren nur noch in Spuren erhalten geblieben und wurden von den Archäologen nach den im Erdreich sichtbar gebliebenen Pfostenlöchern des Fachwerkgerüstes und weniger Holzreste rekonstruiert. aus: Christina Budde, Peter Cachola Schmal: Von der Urhütte zum Wolkenkratzer – Eine Geschichte der Architektur in 23 Modellen, Ausstellungskatalog DAM, Frankfurt am Main 2012 |
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