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Im Jahr nach seiner Ankunft in Frankfurt stellte Martin Elsaesser sein eigenes Wohnhaus fertig. Das Grundstück lag erhöht mit freiem Blick über das Niddatal. Ab 1926 entstand hier die Siedlung Höhenblick, an deren Rand sich das Gebäude heute befindet. Grundsätzlich betonte Elsaesser im Einfamilienhausbau die Wichtigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Bauherrn und seinen Vorstellungen. Der Architekt müsse sich „[…] einen möglichst präzisen Begriff der objektiven und subjektiven Bedürfnisse […]“ bilden und sich in „Charakter, Geist und Gewohnheiten der Familie“ einfühlen. Zum zweiten Mal sein eigener Bauherr, wandte Elsaesser diese Forderungen auf sich und seine sechsköpfige Familie an und setzte Konsequenzen aus den Kölner Jahren mit der „sehr unbefriedigende[n] Unterbringung in Mietwohnungen“ um. Auf drei Ebenen schuf er den großbürgerlichen Rahmen für den durch Gäste „zwanglos erweiterten Kreis der Familie“. Dazu befand sich im Erdgeschoss der Eß- und Wohnbereich mit einem Musikzimmer. Im ersten Stock lagen drei kombinierte Schlaf- und Arbeitsräume als Rückzugsmöglichkeit für Eltern und Kinder. Ein eigenes Arbeitszimmer richtete Martin Elsaesser sich nicht ein, um Berufs- und Privatleben in seiner knappen Freizeit zu trennen. Im zweiten Stock kamen Gästezimmer und Personalräume hinzu. Elsaesser achtete auf praktische und wirtschaftliche Grundrisse. Die Räume sind großzügig aber nicht verschwenderisch in Umfang und Ausstattung. Sie sind funktional voneinander getrennt, dabei wurden Speise- und Wohnraum sowie Schlaf- und Arbeitsbereich in den privaten Räumen durch Vorhänge statt mit massiven Wänden unterteilt. Die gestaffelten Gebäudeteile, flache für den Küchentrakt und die Garage, einen eingeschossigen und den zweigeschossigen Hauptteil, setzte er wie Bausteine aneinander. Zwischen ihnen bildeten sich offene und halboffene Räume, wie ein eingefasster aber nicht überdachter Wohnhof mit Planschbecken als grünem Zimmer. Auch auf den Etagen wurde durch Balkone der Bezug zum Außenraum hergestellt. Besonderes stolz verwies Elsaesser auf die großzügige Sonnenterasse über dem ersten Stock. Die Villa ist von der Straße abgerückt und täuscht aus dieser Perspektive über ihre Größe hinweg. Die durchgängige Verkleidung mit Backstein verbindet das kubische Gebilde zu einem ruhigen Komplex. Trotz Flachdach und klaren Formen setzte Elsaesser kein bauliches Ausrufezeichen der Moderne, wie es Ernst May mit seinem in der Nachbarschaft zeitgleich entstandenen hell verputzten Kubus tat, den eine raumhohe versenkbare Fensterfront kennzeichnete. Elsaessers erstes Frankfurter Gebäude wies deutlich die für ihn typischen Traditionsbezüge und eine baukünstlerische Bearbeitung des Details auf. Dazu gehörte die sorgsame Behandlung der Klinkerfassade mit weißen, konvex geformten Lager- und roten, konkav ausgebildeten Stoßfugen. Er verwendete unterschiedliche, dabei konventionelle Fensterformate mit weiß lackierten Sprossen, die an der Straßenfassade und am Wirtschaftstrakt teilweise durch schmiedeeiserne, kunstvoll gebogene Gitter ergänzt sind. Türeinfassungen und Fensterstürze betonte Elsaesser durch ornamental versetzte Klinkerlagen. Die Gebäudeecken sind mit gemauerten Stützpfeilern verstärkt. Das Haus zeigt innerhalb seines Frankfurter Œuvres Elsaessers Entwurfshaltung besonders deutlich: die Vermittlung zwischen Tradition und Moderne. (Christina Gräwe) aus: Thomas Elsaesser, Christina Gräwe, Jörg Schilling, Peter Cachola Schmal: Martin Elsaesser und das Neue Frankfurt, Ausstellungskatalog DAM, Tübingen 2009 |
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