Stäbe und Holzplatten: Aus diesen beiden Elementen ist das Arbeitsmodell der Kunsthalle in Düsseldorf zusammengesetzt. Es könnte sich um eine Versuchsanordnung gehandelt haben: Dass nicht alle Stäbe dazu verwendet wurden, die Geschossplatten der Ausstellungsräume zu tragen, mag ein Indiz dafür sein, dass Ungers zunächst das Stabraster errichtet hat, noch ohne eine präzise Vorstellung von der Verteilung der eigentlichen Baumasse zu haben. Anschließend könnte er ausprobiert haben, wie sich die Holzplatten darüber einfädeln lassen, sodass ein sinnvoller Zusammenhang entsteht. Ungers hat sich zu diesem Entwurf nie geäußert und er hat ihn auch nicht in seine erste Monografie aufgenommen. Die grobe Ausführung des Modells 1 entspricht zwar einerseits seiner damaligen Entwurfshaltung, das endgültige Wettbewerbsmodell wurde dann jedoch sorgfältiger hergestellt. Ungers reichte ein Foto von Modell 2 als großen Abzug zusammen mit den Wettbewerbsplänen ein. Darauf ist zu sehen, wie er die senkrechten Stützen noch deutlicher als bei Modell 1 über den Baukörper hinaus nach oben verlängert. Die Stäbe scheinen dadurch als autonomes Element des Entwurfs demonstrativ betont zu werden. Sie sind nicht bloß nützliche, dienende Bauteile, die den Rest des Bauwerks tragen, sondern folgen einer eigenen Logik. Ungers wird wenige Jahre später, in seinem Berufungsvortrag an der Technischen Universität Berlin, einen von ihm selbst konstruierten Würfel präsentieren, mit dessen Hilfe er den Studierenden verschiedene grundlegende Prinzipien der Architektur erklärt. Der Entwurf für die Kunsthalle vereint zwei auf den ersten Blick konträre Entwurfshaltungen. Er wirkt in seiner miniaturisierten Form, die auch ein wenig an das Spiel „Die Türme von Hanoi“ erinnert, wie ein Vorläufer von Ungers Würfel-Baukasten. Die Zeitschrift Bauwelt berichtete mit dem ihr eigenen Humor über die Ergebnisse des Wettbewerbs. Auf einer ganzen Druckseite werden zwanzig Arbeiten ohne Nennung der Verfasser als strenge Aufsichtsfotos abgebildet, der Leser erfährt nicht einmal, wer den 1. Preis zugesprochen bekam. Der Beitrag von Oswald Mathias Ungers hingegen stieß zwar nicht auf die Zustimmung der Jury, wird in der Bauwelt hingegen umfassend gewürdigt. „Protest gegen die Kiste auf Stelzen“ lautete die Überschrift, womit wohl gemeint war: Ungers Entwurf protestiere, auf Stelzen, gegen die Kistenhaftigkeit der übrigen Beiträge. (Michael Weyck) aus: Oliver Elser, Peter Cachola Schmal: Das Architekturmodell – Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie, Ausstellungskatalog DAM, Zürich 2012