Modell des Gesamtgebäudes, Studienarbeit Lehrstuhl Ungers
Abstract:
Im April 1964 tritt der Architekt Oswald Mathias Ungers eine Professur an der Technischen Universität Berlin an. Er beginnt seine Lehre mit sogenannten „Wochenaufgaben“. Bis zum Ende des Semesters spielen seine Studenten, zu denen auch Eckhart Reissinger zählt, Woche für Woche das Raumprogramm eines konventionellen Einfamilienhauses durch. Allerdings unterliegen die Entwürfe jeweils unterschiedlichen Einschränkungen, Ungers nennt sie „Bindungen“: Bei Aufgabe Nr. 2 sah diese „Funktionsbindung“ vor, dass 25 Laufmeter Wandschrank unterzubringen und die Räume in einer bestimmten Weise miteinander zu verknüpfen sind. Reissingers Modell aus Spanplatten wurde für die Dokumentation der Ergebnisse in den Veröffentlichungen zur Architektur in einer Draufsicht fotografiert, jener Darstellungsart, die sein Lehrer Ungers zu dieser Zeit bei seinen eigenen Architekturmodellen ebenfalls verwendet hat. Dadurch wirkt es wie ein Kunstwerk, nicht mehr wie ein Gebäude. Der Entwurf für die Wochenaufgabe Nr. 3 ist noch freier in seiner skulpturalen Gestalt. in diesem Falle war die „thematische Bindung“ von Ungers besonders raffiniert gewählt. Die Vorgaben liefen darauf hinaus, ein Atriumhaus zu errichten, also einen nach außen geschlossenen Baukörper. Die besondere Schwierigkeit bestand darin, dass der Eingang des Hauses 4,75 Meter über dem Geländeniveau liegen sollte: Die Studenten mussten ihre Entwürfe in die Höhe strecken und aus dem traditionell eingeschossigen Atriumhaus-Schema ausbrechen. Reissinger verzichtete auf eine Umfassungsmauer und entwickelte sein Gebäude ausgehend vom Eingangsniveau spiralförmig von oben nach unten. in Zeichnungen kann die Kraft, die der Entwurf im Modell entfaltet, nicht ansatzweise wiedergegeben werden. Auffällig ist, dass fast alle Studierenden aus dem Ungers-Seminar stark abstrahierte Modelle, meist ohne Fenster oder Türen angefertigt haben, nicht selten sogar ohne Dach. Wichtiger als eine realitätsnahe Darstellung war die prägnante Zuspitzung des Konzepts. (Michael Weyck) aus: Oliver Elser, Peter Cachola Schmal: Das Architekturmodell – Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie, Ausstellungskatalog DAM, Zürich 2012il 1964