Bereits ab 1935 übernahm May – zunächst neben seiner Tätigkeit als Farmer – gelegentlich Planungsaufträge und arbeitete bald ausschließlich als Architekt in Nairobi, der prosperierenden Hauptstadt Kenias. Dort erwarb er 1937 im Vorort Karen ein neun Hektar großes Hanggrundstück mit Blick auf die bis zu 3000 Meter hohe Bergkette der Ngong Hills. May plante, das Anwesen in drei Abschnitten zu bebauen. Zunächst wurden die Wirtschaftsräume, Garage und Gästezimmer in einem Viertelkreis um die Wendeschleife der Zufahrt errichtet. Das Haupthaus bestand aus einem großen Kubus, dessen Ecken im Erdgeschoss abgerundet waren. Im Parterre befanden sich Ess- und Wohnzimmer, im ersten Stock die Schlaf räume und das Arbeitszimmer. Optisch wurden die beiden Geschosse durch eine weit vorkragende, dünne Betonscheibe getrennt, die die darunterliegende Loggia beschattete. Über der großen Fensterfläche im Obergeschoss sorgte ein schmales Betonvordach für Sonnenschutz. Auch den Eingangsbereich gestaltete May ebenso schlicht wie effektiv. Auf einen Rundpfeiler legte er eine flache, ebenfalls gerundete Betonscheibe auf und beleuchtete diese rundum. Im Kaminzimmer befand sich ein weiterer Rundpfeiler, der indirektes Licht verbreitete. Die häufige Verwendung von Pfeilern und Bull augenfenstern lässt an Bauten von Le Corbusier und Scharoun denken. Kreissegmente und Kuben wurden geschickt miteinander kombiniert und bildeten ein harmonisches Ganzes. Insgesamt bestach das Haus durch seine skulpturale Erscheinung und machte es zu einem herausragenden Beispiel des Internationalen Stils in Afrika. Nach Mays Rückkehr nach Deutschland Ende des Jahres 1953 wurde das Anwesen von dem nachfolgenden Eigentümer bis zur Unkenntlichkeit verändert. Nur der dritte Bauabschnitt, der erst 1946 realisierte Atelierbau, blieb weitgehend unverändert erhalten. Immerhin ist das Objekt durch zahlreiche Fotografien, die May selbst anfertigte, gut dokumentiert. Bereits Ende der 1930er- und 1940er-Jahre wurde Mays afrikanisches Domizil in ausländischen Fachzeitschriften publiziert, in Deutschland erst Anfang der 1950er-Jahre. (Eckhard Herrel) aus: Claudia Quiring, Wolfgang Voigt, Peter Cachola Schmal, Eckhard Herrel: Ernst May. 1886-1970, Ausstellungskatalog DAM, München 2011